Digitale Barrierefreiheit: Hürden im Alltag – und wie man sie abbaut
Digitale Barrierefreiheit ist mehr als ein technisches Thema. Es geht darum, dass Menschen mit Einschränkungen dieselben Informationen, Funktionen und Möglichkeiten erhalten wie alle anderen – ohne Barrieren, Umwege oder Frust.
In der zweiten Woche unserer Serie schauen wir auf Barrieren, die oft übersehen werden: Einschränkungen beim Hören, bei der Motorik oder beim Verarbeiten von Informationen. Und wir zeigen Lösungen, die nicht kompliziert sein müssen – sondern oft ganz einfach sind.
1. Nicht jeder kann klicken – was motorische Einschränkungen bedeuten
Viele Websites sind für die Maus optimiert. Kleine Buttons, Hover-Menüs, enge Abstände. Für Menschen mit motorischen Einschränkungen – z. B. durch Parkinson, MS oder nach einem Schlaganfall – ist das ein echtes Hindernis.
Typische Barrieren
- Buttons und Links sind zu klein oder zu dicht gesetzt
- Navigation funktioniert nur mit Maus, nicht mit Tastatur oder Sprachsteuerung
- Zeitlimits beim Login oder bei Formularen setzen unnötig unter Druck
Lösungen
- Größere Klickflächen mit ausreichendem Abstand
- Alle Funktionen per Tastatur bedienbar machen (Tab, Enter, Pfeiltasten)
- Zeitlimits deaktivieren oder verlängerbar gestalten
- Formulare mit Auto-Ausfüllen und Zwischenspeicher (damit Eingaben nicht verloren gehen)
Selbsttest: Kannst du deine Website ohne Maus bedienen? Nur mit der Tabulatortaste? Wenn nicht – dann ist sie nicht barrierefrei.
2. Konzentration? Schwierig, wenn die Seite überfordert
Nicht alle Nutzer erfassen Informationen gleich schnell. Menschen mit ADHS, Lernbehinderungen, Dyslexie oder Demenz brauchen Klarheit, Struktur und Fokus – keine visuelle Reizüberflutung.
Typische Barrieren
- Zu lange Fließtexte ohne Gliederung
- Blinkende Inhalte, Pop-ups oder automatische Videos
- Unklare Navigation oder überladene Menüs
- Fachbegriffe und komplexe Sprache
Lösungen
- Einfache, klare Sprache – kurze Sätze, klare Botschaften
- Gut strukturierte Inhalte – mit Überschriften, Absätzen und Listen
- Ablenkungen reduzieren – keine automatisch startenden Videos oder Werbebanner
- Klare Navigation – nicht mehr als 5–7 Hauptpunkte im Menü
Tipp: Lässt sich dein Inhalt in 10 Sekunden überfliegen und trotzdem verstehen? Wenn nicht, ist er wahrscheinlich zu kompliziert.
3. Hören ist nicht gleich Verstehen – wie fehlende Untertitel Inhalte ausschließen
Online-Videos gehören zum Alltag – von Social Media bis zum Bewerbungsgespräch. Doch Menschen mit Hörbeeinträchtigungen können Inhalte nicht erfassen, wenn Untertitel oder Transkripte fehlen.
Typische Barrieren
- Videos ohne Untertitel oder Audiotranskription
- Automatische Untertitel mit vielen Fehlern
- Podcasts ohne Textalternative
- Sprecher reden zu schnell oder undeutlich
Lösungen
- Manuelle oder nachbearbeitete Untertitel für alle Videos
- Transkripte für Podcasts und Webinare bereitstellen
- Text-Overlay für zentrale Begriffe oder Aussagen
- Sprecher zu klarer Sprache und angemessenem Tempo anleiten
Selbsttest: Spiel dein Video ohne Ton ab. Ist die Kernaussage noch verständlich? Falls nicht – fehlen dir wichtige Barrierefreiheitsfunktionen.
4. Zeitdruck und Captchas – unsichtbare Hürden mit großer Wirkung
Viele Websites setzen auf Sicherheitsfunktionen wie Captchas oder kurze Zeitfenster. Für Nutzer mit motorischen, kognitiven oder visuellen Einschränkungen sind das echte Blockaden.
Typische Barrieren
- Unlesbare Captchas ohne Alternative
- Formulare mit kurzen Zeitlimits
- Automatische Logouts während der Eingabe
- Kein Fortschrittsspeicher bei langen Prozessen (z. B. Bewerbung, Ticketkauf)
Lösungen
- Barrierefreie Captchas (z. B. Audio-Captcha oder einfache Rechenaufgabe)
- Zeitlimits deaktivieren oder verlängerbar machen
- Eingaben zwischenspeichern und Rückkehr zum letzten Schritt ermöglichen
- Keine Pflicht zur Mausbedienung – alles muss auch mit Tastatur oder alternativen Eingaben gehen
Frage dich: Was, wenn ich nur eine Hand hätte – oder eine Bildschirmtastatur nutze? Würde ich durch deinen Bestellprozess kommen?
Fazit: Barrierefreiheit ist kein Extra – sondern der Standard, den wir brauchen
Barrierefreiheit ist keine Frage der Technik, sondern der Haltung. Wer digital inklusiv denkt, denkt menschenzentriert.
Und das Beste:
- Die meisten Maßnahmen sind einfach umsetzbar
- Sie verbessern die Nutzererfahrung für alle
- Und sie zeigen, dass dein Unternehmen Verantwortung übernimmt
Mach den ersten Schritt – und räume digitale Hürden aus dem Weg. Nicht irgendwann. Sondern heute.