Digitale Barrierefreiheit: Die unsichtbaren Hürden im Netz
Warum digitale Barrierefreiheit uns alle betrifft
Das Internet ist für viele von uns eine Selbstverständlichkeit – wir klicken, scrollen, lesen und navigieren mühelos durch Websites. Doch was, wenn genau das nicht möglich ist? Für Millionen von Menschen mit Seh-, Hör-, motorischen oder kognitiven Einschränkungen sind digitale Barrieren oft unüberwindbar. Dabei gibt es einfache Lösungen, die das Web für alle zugänglich machen – und davon profitieren nicht nur Betroffene, sondern auch Unternehmen und ihre Kunden.
In diesem Artikel zeigen wir vier typische Barrieren auf, mit denen viele Nutzer kämpfen, und erklären, wie sie vermieden werden können.
1. Farbenblind? So sieht deine Website für Millionen Menschen aus
Wusstest du, dass etwa 8 % der Männer und 0,5 % der Frauen eine Farbsehschwäche haben? Besonders häufig ist die Rot-Grün-Schwäche (Deuteranopie/Protanopie), die Farben verschwimmen oder kaum unterscheidbar macht (Quelle: National Eye Institute, USA).
Häufige Probleme
- Fehlende Kontraste: Wenn Farben wie Rot und Grün zur Unterscheidung genutzt werden, können Menschen mit Farbsehschwäche die Unterschiede oft nicht erkennen.
- Diagramme & Buttons ohne alternative Kennzeichnung: Ein roter “Abbrechen”-Button und ein grüner “Bestätigen”-Button sehen für manche Menschen fast identisch aus.
- Platzreservierungssysteme (z. B. Kino, Bahn): Oft werden besetzte Plätze in Rot und freie in Grün dargestellt – ohne Symbole oder Text als Zusatzinformation.
Lösungen
- Kontraste erhöhen und Farben nie als alleinige Unterscheidungsmerkmale nutzen.
- Zusätzliche Symbole oder Beschriftungen verwenden (z. B. ein ✔ für „frei“ und ein ✖ für „belegt“ in Sitzplatzreservierungen).
- Websites mit Tools wie Coblis oder Sim Daltonism testen, um Farbschwächen zu simulieren.
2. Schlecht lesbar! Warum kleine Schriften und schwache Kontraste ein Problem sind
Nicht nur Menschen mit Sehbehinderungen, sondern auch ältere Nutzer oder Menschen mit Weitsichtigkeit haben Schwierigkeiten, schlecht gestaltete Websites zu lesen.
Häufige Probleme
- Zu kleine Schriftgrößen (z. B. unter 12 px)
- Hellgrauer Text auf weißem Hintergrund (zu wenig Kontrast)
- Dicht gedrängte Texte ohne Zeilenabstand
Lösungen
- Eine Mindestschriftgröße von 16 px verwenden.
- Klare Kontraste sicherstellen, z. B. schwarze Schrift auf weißem Hintergrund.
- Genügend Zeilenabstand (1,5-fache Schriftgröße) für bessere Lesbarkeit.
- Design mit dem WebAIM Contrast Checker testen, um sicherzustellen, dass die Farben gut sichtbar sind.
3. Blinde Nutzer: Wie funktioniert eine Website mit einem Screenreader?
Menschen mit starker Sehbehinderung oder Blindheit nutzen das Internet mithilfe von Screenreadern – Software, die den Bildschirminhalt vorliest oder in Brailleschrift umwandelt. Doch viele Websites sind schlecht darauf vorbereitet.
Häufige Probleme
- Bilder ohne Alternativtexte → Ein Screenreader liest dann nur „image123.jpg“ vor, was keine Information liefert.
- Schlecht strukturierte Webseiten → Ohne klare Überschriften und Absätze ist die Navigation schwierig.
- Buttons ohne Beschreibung → Ein Screenreader-Nutzer hört dann nur „Button“ statt „Jetzt kaufen“.
- Captchas ohne barrierefreie Alternative → Viele Sicherheitsabfragen sind für blinde Nutzer nicht lösbar.
Lösungen
- Sprechende ALT-Texte für Bilder hinterlegen („Ein rotes Auto fährt durch die Stadt“ statt „image123.jpg“).
- Logische HTML-Struktur mit klaren Überschriften und ARIA-Labels für Screenreader-Nutzer.
- Buttons mit klarer Beschreibung versehen („Jetzt kaufen“ statt „Hier klicken“).
- Barrierefreie Captcha-Alternativen nutzen, z. B. Audioversionen oder einfache Rechenaufgaben.
Selbsttest: Eine Website mit einem Screenreader wie NVDA oder VoiceOver ausprobieren – ist die Navigation möglich? Falls nicht, fehlen wichtige Anpassungen.
4. Grafiken ohne Worte? Wie fehlende Bildbeschreibungen Barrieren schaffen
Bilder und Grafiken sind oft essenziell für die Vermittlung von Informationen – doch für Blinde oder Sehbehinderte sind sie ohne Alternativtexte nicht nutzbar.
Häufige Probleme
- Infografiken ohne Beschriftung → Inhalte bleiben für Screenreader-Nutzer unsichtbar.
- Produktbilder ohne Alternativtext → Ein blinder Nutzer kann sich kein Bild vom Produkt machen.
- Dekorative Bilder ohne Kennzeichnung → Sie erschweren die Navigation für Screenreader-Nutzer.
Lösungen
- Aussagekräftige ALT-Texte schreiben: „Ein Mann mit Blindenhund überquert eine Straße“ statt „IMG_234.jpg“.
- Infografiken mit begleitendem Text erklären, sodass die Informationen auch lesbar sind.
- Dekorative Bilder mit alt="" kennzeichnen, damit sie von Screenreadern ignoriert werden.
Selbsttest: Einmal auf der eigenen Website alle Bilder ausschalten – bleiben noch genug Informationen übrig? Falls nicht, fehlen wichtige Beschreibungen.
Fazit: Digitale Barrierefreiheit beginnt mit kleinen Schritten
Digitale Barrierefreiheit ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Sie hilft nicht nur Menschen mit Einschränkungen, sondern verbessert die User-Experience für alle – von älteren Menschen über mobile Nutzer bis zu Personen mit temporären Einschränkungen (z. B. nach einer Augen-OP oder mit einem gebrochenen Arm).
- Schon kleine Änderungen wie bessere Kontraste, klare Navigation und Alternativtexte machen einen großen Unterschied.